Rettet nicht nur die Bienen
Für die Sitzung vom 29. April konnte der AKE MdL Raimund Haser, Naturschutzpolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion gewinnen. Herr Haser, der aus dem Allgäu stammt, eröffnete seinen Vortrag mit dem wichtigen Hinweis, dass jegliche Naturschutzmaßnahme den landschaftlichen Hintergrund einer Region berücksichtigen muss und man dabei nicht vergessen darf, dass Natur und Landschaft als Einheit gesehen werden müssen und Landschaft so gut wie immer vom Menschen geformte Kulturlandschaft bedeutet. Naturschutzprogramme, die diese Grundtatsachen nicht berücksichtigen, sind deshalb kritisch zu sehen. Bei allen Naturschutzmaßnahmen ist stets zu fragen, was, im Einklang mit den Gegebenheiten vor Ort, erreicht werden soll. So gesehen sind abstrakt formulierte Programme, wie etwa das FFH-Programm (Flora-Fauna-Habitat), in ihrem Nutzen kritisch zu hinterfragen. Richtet man z. B. den Blick aufs Allgäu mit seiner heutigen Weidewirtschaft und auf die Milchwirtschaft ausgerichteten bäuerlichen Betriebe, ergeben sich für den Schutz und den Erhalt der Kulturlandschaft und der biologischen Vielfalt vor Ort andere Erfordernisse als für das Ermstal mit seiner von Streuobstwiesen geprägten Kulturlandschaft.
Naturschutzpolitik und Naturschutzmaßnahmen müssen sich unbedingt auch mit dem Landschaftsverbrauch auseinandersetzen, den Industriebauten, Wohnungsbau und der Bau von Verkehrswegen verursachen. Die heute gesetzlich vorgeschriebenen Ausgleichsflächen müssen deshalb sorgfältig ausgewählt und ihre Nutzung klar definiert werden. Ein weiterer Aspekt des Landschaftsverbrauches ist der damit verbundene Verlust an landwirtschaftlichen Produktionsflächen. Dieser führt zu einer intensiveren Nutzung der Wiesen und Äcker, die durch den Einsatz von Kunstdünger und Pestiziden sowie durch die Mechanisierung der Produktionsmethoden möglich ist. Allerdings: Wurden in der Vergangenheit Wiesen im Schnitt nur zweimal gemäht, erfolgen heute sechs bis sieben Mahden. Diese veränderte Bewirtschaftung führt dazu, dass Wiesenpflanzen nicht mehr blühen können und es so zu einer immensen Reduktion des Nahrungsangebots für Insekten kommt. In der Folge nimmt die Insektenpopulation dramatisch ab. Eine stark geschrumpfte Insektenpopulation führt wiederum dazu, dass das Nahrungsangebot für Vögel stark zurückgeht und die Vogelpopulation ebenfalls abnimmt. Dass dieser Kausalzusammenhang zu einer starken Reduktion der Biodiversität führt, liegt auf der Hand. Praktizierter Natur- und Artenschutz wären in diesem Kontext Ausgleichszahlungen an die Landwirtschaft für den Verzicht auf das häufige Mähen von Wiesen. Anders gesagt: Es geht darum, dass Landwirtschaft und Landschaftspflege Hand in Hand gehen müssen, damit eine gut überlegte und gut geplante Landnutzung auch biologische Vielfalt ermöglicht.
Im Kontext der Biodiversität verwies MdL Haser auch auf Maßnahmen im Kontext von Fließgewässern. Hier soll ein fünf Meter breiter Randstreifen an jedem Ufer für Biodiversität sorgen – bei gleichzeitig geltendem Bewirtschaftungsverbot für diese Flächen. Bei genauerer Betrachtung erweist sich diese Konstellation jedoch als wenig zielführend, denn das Bewirtschaftungsverbot führt dazu, dass diese Uferrandstreifen z. B. nicht für Bioenergiepflanzen mit ihrem Nahrungsangebot für Insekten genutzt werden können. Es kann auch kein Niederwald mit bodennahen Gehölzen angelegt werden, die nach einigen wenigen Jahrzehnten für die Produktion von Holzhackschnitzeln geerntet werden könnten.
Mit Blick auf die Fließgewässer im Land betonte Haser, dass durch den Abriss von Querbauwerken und Stauwehren, die einst zur Nutzung der Wasserkraft errichtet wurden, zwar durchgängige Fluss- und Bachläufe erzielt würden, zugleich jedoch die Zonen verlangsamten Wasserflusses mit ihrer wichtigen Funktion für den Grundwasserstand und den Hochwasserschutz zerstört würden. Mit Blick auf die Energiewende bedeutet die Stilllegung von kleinen Wasserkraftwerken zudem auch einen Rückgang der CO2-neutral produzierten elektrischen Energie. Werden Wasserkraftwerke mit ihren Stauanlagen stillgelegt, dann werden auch keine neuen Fischtreppen gebaut.
Welche politischen Konsequenzen ergeben sich aus diesen Konstellationen? Eminent wichtig ist, dass Landwirtschaft und Naturschutz nicht gegeneinander ausgespielt werden. In Baden-Württemberg sind diese beiden Bereiche in zwei Ministerien angesiedelt, was unweigerlich zu Reibungsverlusten und Sollbruchstellen führt.
Wollen wir den Erhalt unserer Kulturlandschaft, dann müssen wir auch dazu bereit sein, mit Förderprämien und anderen Maßnahmen (z. B. Ökopunkte) den Verlust aus der eingeschränkten Nutzung landwirtschaftlicher Produktionsflächen zu vergüten.
Wir müssen uns auch kritisch fragen, ob unsere Konsumhaltung sich mit Naturschutz und Biodiversität verträgt. Möglichst billige Lebensmittel sind nur möglich auf der Basis großer Produktionsmengen, die mit einer nachhaltigen, auf Biodiversität und den Erhalt der Kulturlandschaft abzielenden Bewirtschaftung schlecht in Einklang zu bringen sind. Ökologisch und nachhaltig produzierte Nahrungsmittel sind schlichtweg teurer. Vor diesem Hintergrund ist auch die derzeitige EU-Landwirtschaftspolitik mit ihren Subventionen auf der Basis der Betriebsgröße höchst fragwürdig. In diesem Bereich bedarf es deshalb eines raschen Umdenkens und eines Paradigmenwechsels.
Eine verantwortungsvolle Naturschutzpolitik fragt nicht danach, welche Art erhalten werden soll, sondern kümmert sich um den Schutz von Lebensräumen. Lebensräume zeichnen sich per se durch Biodiversität aus – ohne blühende Gräser und Kräuter keine Insekten und ohne Insekten keine Vögel. Gute Naturschutzpolitik zeichnet sich durch das Erkennen eben dieser Zusammenhänge aus wie auch durch entsprechend differenzierte Programme und Maßnahmenpakete.
Die anschließende Fragerunde zeigte deutlich, dass MdL Haser in seinem Referat wichtige und für die anwesenden Besucher höchst relevante Themen ansprach. Bereitwillig beantwortete er auch Fragen zum Zusammenhang von Naturschutz und Energiewende (Woher kommt der Strom für die Elektromobilität?) und appellierte an die Mitglieder des AKE, sich weiterhin aktiv für die Belange der Energiewende und des Klimaschutzes einzusetzen.