Unterwegs

23. September 2017 Exkursion des AKE Metzingen nach Böhringen: Trommeln ist ganz wichtig!

 

Am Samstag, 23. September 2017, hatten Mitglieder des AKE die Gelegenheit, sich mit dem Nahwärme-Projekt der Neuen Energie Römerstein (NER) in Böhringen vertraut zu machen.

Im Bio-Energiedorf Böhringen werden viele Haushalte ganzjährig über ein Nahwärmenetz versorgt, dessen Energie ausschließlich mit regenerativen regionalen Brennstoffen erzeugt wird. Alle angeschlossenen Gebäude werden ganzjährig aus dem von der Genossenschaft geplanten und gebauten Rohr-Netz zu 100 % mit dem erforderlichen Heißwasser für die Heizungen und die Brauchwassererwärmung versorgt.

In Böhringen angekommen, wurde die 10-köpfige Gruppe nach der Begrüßung durch Herrn Christian Class zunächst von Herrn Christoph Loser auf seinem landwirtschaftlichen Anwesen mit der Biogas-Anlage vertraut gemacht. Diese Anlage kann als Ausgangspunkt des Gesamtprojektes der Energie-Genossenschaft bezeichnet werden.

Die Führung begann im modernen Stall mit aktuell etwa 120 Milchkühen. Denn ohne den Stall gäbe es die Biogas-Anlage nicht. Herr Loser erklärte, welche Beschaffenheit ein moderner, zu jeder Jahreszeit gut durchlüfteter Kuhstall hat und die Gruppe konnte sich einen solchen gleich ansehen. Zweimal täglich wird der ‚Rohstoff‘ der Biogas-Anlage vom Stallboden maschinell ‚geerntet‘ und gelangt über eine Förderanlage in den sog. ‚Fermenter‘. Zur Verbesserung der ‚Methan-Produktion‘ werden noch Gras und Mais-Silage aus eigener Ernte beigegeben.

Der Fermenter als Herzstück der Anlage ist auf dem Loserhof in die Erde eingelassen und mit einem horizontalen Ortbeton-Deckel mit Revisionsöffnungen versehen. Zwei Rührwerke sorgen dafür, dass die Bio-Masse im runden, unterirdischen Groß-Behälter die für eine gute Produktion von Methan-Gas erforderliche Homogenität hat. Wichtig ist auch die Temperatur im Fermenter. Bei ca. + 40 ° Celsius herrschen ideale Bedingungen für die Bakterien.

Das Methan-Gas wird aus dem Fermenter in einen Zwischenspeicher (Nachgärer) geleitet, der mit einer kuppelförmig gewölbten Kunststoffplane abgedeckt und zusätzlich mit einem Gewebenetz zur Kompensierung des Gasdruckes überspannt ist. Dem Zwischenspeicher wird noch Wärme zugeführt. Der nächste Schritt ist der eigentliche Gasspeicher.

Über eine Ringleitung, in der das Gas herunterkühlt und auch entwässert wird, gelangt es zum Maschinenhaus mit zwei Blockheizkraftwerken (BHKW), in dem zwei Gas-Aggregate Strom und Wärme erzeugen. Der Strom wird in das öffentliche Netz eingespeist, die Abwärme der Gas-Motoren wird für das Wärme-Netz genutzt.

Da die Abwärme der Motoren für den Energie-Bedarf des Nahwärme-Netzes in der kalten Jahreszeit nicht für das gesamte Dorf ausreicht, wurden zwei Heizzentralen gebaut. Die erste Zentrale steht neben dem Loserhof. Die NER e. G. hat im Zuge des zweiten Bauabschnittes des Nahwärmenetzes die alte Heizzentrale für Schule und Turnhalle übernommen, die jetzt als Reserve fürs Böhringer Netz vorgehalten wird. Daneben wurde eine zweite, neue Heizzentrale von der Energie-Genossenschaft gebaut.

Die in Böhringen eingesetzten Holzkessel werden ausschließlich mit Hackschnitzeln befeuert und redundant betrieben. Die Pufferspeicher nehmen zunächst das im Kesselhaus erzeugte Heißwasser (ca. + 80 ° C) auf und speisen es dann in die insgesamt ca. 11 km langen Rohrleitungen beider Bauabschnitte des Netzes ein. Erfreulich hoch ist der Anschluss-Grad der Haushalte in Böhringen: ca. 80 % der Gebäude konnten in den zwei Bauabschnitten bisher angeschlossen werden.

Beim Einsatz von BHKWs stellt sich die Frage, wie in den Sommermonaten die Abwärme der Gas-Motoren sinnvoll genutzt werden kann, besteht doch nur ein geringer Wärmebedarf für die Erzeugung von Heißwasser.

In Böhringen hat man sich bezüglich der Nutzung der Abwärme so einiges einfallen lassen.

Die überschüssige Abwärme wird in den Sommermonaten dazu genutzt, die noch feuchten Holz-Hackschnitzel, die wesentlich preisgünstiger eingekauft werden können als getrocknete, für die beiden Heizwerke zu trocknen. In einer großen Geräte-Scheune auf dem Loserhof wird Warmluft unter einem speziell gelochten Boden eingeblasen und die darauf ausgebreiteten Hackschnitzel werden auf einen für die spätere Verbrennung optimalen Wassergehalt von ca. 20 bis 30 % herunter getrocknet. Diese Trocknungsanlage kann jedoch auch für die Trocknung von Getreide und Gras / Heu genutzt werden. Für die in den Sommermonaten getrockneten Holzhackschnitzel wurden überdachte Lagergebäude direkt neben den beiden Heizzentralen errichtet.

Den zweiten Teil der Führung übernahm Herr Class, der für den technischen Bereich der gesamten Anlage zuständig ist – als Diplom-Ingenieur ist das sozusagen sein Metier. Er erläuterte den Besuchern aus Metzingen den Aufbau der Heizzentralen und führte aus, dass über die zentrale Steuerung der Wärmeverbrauch von jedem angeschlossenen Objekt erfasst werden kann.

Die ausgetüftelte Steuerung erlaubt es auch, z. B. technische Probleme in den Anlagen der einzelnen angeschlossenen Gebäude, auf dem Bildschirm relativ sicher zu erkennen und alsbald Gegenmaßnahmen zu ergreifen oder vorzuschlagen.

Herr Class erläuterte auch die Vorteile der an der Energie-Genossenschaft beteiligten Bürger:
Jeder Anschluss an das örtliche Nahwärmenetz in Böhringen ist mit mindestens einem Genossenschaftsanteil verknüpft – maximal sind 5 Anteile pro Mitglied möglich.

Die Übergabestation ist das Bindeglied zwischen der Nahwärmeleitung und der Hausanlage und ist zur Installation an einer Wand konzipiert. Sie ersetzt den traditionellen Heizkessel.

Damit ist die Wärmeversorgung gesichert. Teilnehmende Bürger müssen keine Rücklagen für mögliche spätere Erneuerungen ihrer Heizkessel bilden, sich auch nicht um den Schornsteinfeger kümmern. Bei Neubauten können Heizraum und Brennstofflager entfallen. Und wenn die Übergabestation mal nicht mehr funktionieren sollte, dann stellt die Genossenschaft ein neues Aggregat kostenfrei zur Verfügung.

Attraktiv ist auch der Verbrauchspreis für die teilnehmenden Bürger: Lediglich 7,62 Cent pro KWh Wärme werden den Nutzern der Anlage derzeit berechnet. Zu diesem Leistungspreis kommen einmalig noch die Anschlusskosten hinzu, deren Höhe sich nach der Abnahmemenge richtet. Der jährliche Grundpreis richtet sich ebenfalls nach der Wärme-Abnahmemenge für das Objekt.

Herr Class ging in seinem Vortrag auch auf die Schwierigkeiten des Projekts ein: Überzeugung der Böhringer Bürger für eine eigene und dazu preiswerte Nahwärme-Versorgung, diverse Genehmigungsverfahren und schließlich noch die Beantragung von Fördermitteln aus Programmen des Landes Baden-Württemberg.
Hier galt es etliche Klippen zu umschiffen – das dies jedoch elegant gelang, davon konnten sich die Besucher aus Metzingen überzeugen.

Zum Schluss noch die wichtigsten technischen Daten der Böhringer Anlage:

Heizleistung:

aus beiden BHKWs = 2 x ca. 190 kW = ca. 380 KW

aus vier Holzkesseln = 4 x ca. 450 kW = ca. 1.800 kW

Wärmeleistung:

aus Biogas-BHKWs ca. 2.200 MWh / a

aus Holzkesseln ca. 2.400 MWh / a

Wer mehr über dieses überzeugende und wirklich gelungene Projekt erfahren möchte, möge die in der Homepage der NER eingestellten Informationen abrufen:

http://www.neue-energie-roemerstein.de/Home/index.php

Auf der Heimfahrt stellte sich den Metzinger Besuchern die Frage, ob sich ein Projekt nach Böhringer Vorbild auch in Metzingen realisieren ließe. Man war sich darin einig, dass das angedachte Nahwärme-Projekt für Glems als innovatives Projekt in Frage kommen könnte. Und noch etwas war den Teilnehmern nach dem Besuch in Böhringen klar: Innovative Projekte bedürfen eines hohen Maßes an Eigeninitiative und es muss für solche Projekte auch kräftig getrommelt werden.

06.10.2017 Steffen Bertsch, Jochen Kalweit, Dr. Fritz Kemmler

29. September 2015 Arbeitskreis Klima + Energie zu Besuch bei Firma Krämer GmbH in Metzingen

Als der Arbeitskreis Klima + Energie Metzingen (AKE) im Jahr 2012 den ersten Energietisch der IHK für Metzinger Unternehmen mit initiierte, war noch nicht vorhersehbar, dass nur drei Jahre später die dabei beteiligte Firma Krämer GmbH einen respektablen Erfolgsbericht über umgesetzte Energiemaßnahmen abgeben würde !

Der Erfolg basierte auf der Einführung eines Energiemanagementsystems der Firma Riempp aus Oberboihingen. Dabei werden alle Verbrauchs- und Stromlieferquellen einer Firma erfasst und während des Produktionsprozesses verfolgt. So ist es zum Beispiel möglich, nicht produktionsbezogene Verbräuche abzuschalten, wenn die Lastspitze in einen kritischen Bereich kommt. Beim Überschreiten einer „rote Linie“ , wird der Unternehmer akustisch aufgefordert, z.B. eine Maschine für Minuten abzuschalten oder den Peak zu dulden, der seinen Strompreis erhöht.

Wie das System in der Praxis wirkt, erklärte Gastgeber Stefan Krämer, dessen gleichnamiger Metallbaubetrieb für Absturzsicherungssysteme damit seit einem Jahr arbeitet. „Wir ermitteln damit sämtliche Energieverbräuche und können diese Stunden-, Spartenweise oder auftragsbezogen erfassen, um daraus Verbesserungsprozesse abzuleiten“. Dies hat Krämer reichlich: so schaltet sich die Druckluftanlage täglich zur Vesperpause ab oder die Bürofenster kippen automatisch zu bestimmten Zeiten im Zusammenwirken mit der Außentemperatur, was die Heizkosten enorm senkt. Die Druckluftanlage wird laufend außerhalb der Produktionszeiten automatisch auf Leckagen geprüft; durch diese Maßnahmen wurden 2000 Euros an Stromkosten pro Jahr eingespart.

Das Energiemanagementsystem Riempps minimiert als erstes den Bedarf. Das Vermeidungsprinzip beruht z.B. darauf, daß Räume nicht mehr unnötig beheizt werden, weil Fenster offen stehen, oder beleuchtet, obwohl niemand da ist, Getränke im Automaten nicht während der Werksferien gekühlt oder Motoren nur so weit hochgefahren werden, wie es der Antrieb für die aktuelle Produktion erfordert.
In die energieeffizienten Maßnahmen wird nun auch die kürzlich installierte PV-Anlage mit einbezogen.

Die anschließende rege Diskussion wurde durch die teilnehmenden Fachleute, wie den Geschäftsführer der Klimaschutzagentur Reutlingen, Herr Tobias Kemmler, als auch Herrn Jochen Krohmer, Leiter des städtischen Amtes für Wirtschaftsförderung, bereichert. So wurde beispielsweise angeregt, das Energiemanagementsystem für kommunale Gebäude anzuwenden bzw. über dieses System im Rahmen der Metzinger Unternehmergespräche zu berichten.

Herr Krämer wäre jedenfalls gerne bereit seine Erfahrungen weiterzugeben, natürlich auch bei einem weiteren Energietisch mit Metzinger Handwerks- und Industriebetrieben.

Peter Reiff
04.10.2015

 

1. August 2014 AKE- Besuch beim „NETZlabor Sonderbuch“ der Netze BW:

Landesweit passt noch viel PV- Strom ins Netz“

Metzingen. Wieviel Solarstrom passt in unser Stromnetz? Mit dieser Frage im Gepäck war eine zwölfköpfige Besuchergruppe des Arbeitskreises Klima und Energie (AKE) Metzingen am vergangenen Freitag nach Sonderbuch, einem Ortsteil von Zwiefalten gefahren. Dort verantwortet die EnBW-Tochter Netze BW die Stromversorgung. Die Besonderheit: Die extrem hohe Erzeugung von Strom aus Photovoltaik (PV) macht den Ort zum „Kraftwerk“.

In der „alten Welt“ kannte der Weg des Stroms in der Regel nur eine Richtung: die von meist zentralen Kraftwerken über die Überland- und schließlich Verteilnetze hin zum Verbraucher in den Städten und Gemeinden. Mit dem Gesetz zur Förderung der Erneuerbaren Energien (EEG) „hat sich dies in manchen Regionen radikal geändert“, erläuterte bei der Führung Ibrahim Berber von der Netze BW: Landesweit nehmen deren Stromleitungen inzwischen Einspeisungen aus über 140.000 Anlagen auf. Eine der spannendsten Regionen ist dabei Oberschwaben. Sonderbuch gilt als Extremfall, der deshalb zum Testlabor ausgewählt wurde: Auf fast jedem Dach der nur 190 Einwohner großen Ortschaft arbeitet eine PV- Anlage. Einer maximalen Einspeisung von stolzen 1.300 Kilowatt, steht ein Höchstverbrauch von 300 Kilowatt gegenüber (zum Vergleich: Metzingen kommt auf die siebenfache PV- Leistung Sonderbuchs – bei hundert Mal mehr Einwohnern).

Je nach Sonneneinstrahlung und Verhalten der Einwohner wechselt das Ortsnetz in Sonderbuch schon seit Jahren laufend seinen Charakter: mittags wird es regelmäßig zum Kraftwerk, nachts wird Strom aus dem Mittelspannungsnetz bezogen. Für solche Situationen waren die Netze beim Bau nicht konzipiert worden. Nun heißt die Leitfrage: Welche Mittel sind volkswirtschaftlich am sinnvollsten, um die Netze für große Mengen schwankender Stromerzeugung aus Sonne, aber auch Wind zu ertüchtigen?

In Sonderbuch wurden zunächst in vielen Haushalten intelligente Stromzähler installiert. Zudem wurden die Ortnetzstationen mit neuartiger Messtechnik ausgerüstet, die in Echtzeit Informationen über Stromfluss und Spannung an eine zentrale Leitstelle übermittelt. Als wichtigste Maßnahme gilt die Installation eines regelbaren Ortsnetztransformators: Mit ihm lässt sich die Spannung im Ortsnetz deutlich einfacher im zulässigen Bereich halten als bisher – ohne dass einzelne PV-Anlagen abgeschaltet werden müssten. Eine relativ kleiner Lithium- Ionen- Batterie erlaubt es schließlich, auch starke Spannungsspitzen bei schnell wechselnder Bewölkung zu glätten. Auch wenn das Projekt noch lange nicht abgeschlossen ist, rechnet man damit, zukünftig in vielen Fällen deutlich günstigere Alternativen zur Verstärkung und zum Ausbau der Nieder- und Mittelspannungsleitungen zur Verfügung zu haben.

Im Schlusswort freute sich Friedrich Handel, der Leiter des AKE Metzingen, dass EnBW nicht bei der Klage über das Problem Netzbelastung stehen bleibe, sondern die Aufgabe der Verbesserung definiert habe und intensiv an der Lösung arbeite. Die AKE- Besuchergruppe verabschiedete sich nach der interessanten Führung mit der Überzeugung, dass entscheidend für das Gelingen der Energiewende der politische Wille ist, nicht aber die aktuell begrenzte Leistungsfähigkeit unserer Stromnetze. Das Fazit der Besucher am Ende der Führung war eindeutig: Mit überschaubaren Anpassungsmaßnahmen passt landesweit noch viel Solarstrom ins Netz.

Foto:140801 Sonderbuch

Die Besuchergruppe des AKE Metzingen vor einer der neuartigen, „regelbaren Ortsnetzstationen“ in Sonderbuch.